Das Verlaat

Das vielleicht klassischste Bild des Fehnortes Westrhauderfehn vermittelt uns dieses Foto von dem ehemaligen Harmsschen Helgen am Untenende. Rechts im Bild ist eine im Bau befindliche hölzerne Tjalk zu erkennen. Im Hintergrund drehen sich die Flügel der Mühle "Zeldenrüst" im Wind, davor die weißgestrichene Zugbrücke. Links steht das alte "Compagniehaus", das sicher eines der ältesten Häuser des Rhauderfehn war und erst 1929 nach einer bewegten Geschichte einem Neubau - dem heutigen "Verlaatshus" - weichen mußte. Nicht ohne Grund hat  der Fotograf bei seiner "Naturaufnahme aus Ostfriesland" zwei für die Fehnschiffahrt charakteristische Schiffe als Vordergrund gewählt. Vorn ragt der spitze Bug einer offensichtlich in Reparatur befindlichen Mutte ins Bild und auf der anderen Kanalseite hat eine Tjalk, zu erkennen an dem runden Steven, am Ufer festgemacht.

(Fotos: Sammlung Bubacz, Emden).

Eines der ersten massiven Häuser Westrhauderfehns dürfte das am Beginn des Untenendes errichtete "Compagniehaus" gewesen sein.  Es wurde bereits 1776 von der Rhauderfehn-Compagnie erbaut und hat fast 150 Jahre unverändert überstanden. Mit dem Haus verbunden waren das Amt des Schleusen- und Sielmeisters, außerdem eine Konzession für das Bierbrauen und Schnapsbrennen sowie genau festgelegte Fischereirechte unter- und oberhalb der Schleuse. In dem im typischen Fehnhaus-Stil errichteten Gebäude waren im "Vörhus" die Gastwirtschaft und ein kleiner Saal untergebracht. Außerdem hatte es fünf Fremdenzimmer. Der jeweilige Besitzer des stattlichen Hauses war aber nicht nur Gastwirt. Zum "Compagniehaus" gehörte auch eine Landwirtschaft, wie an dem geräumigen "Achterhus" zu erkennen ist. Dieser Wirtschaftsteil wurde 1915 durch ein Feuer vernichtet und nicht wieder aufgebaut, so daß diese Aufnahme mit Sicherheit aus der Zeit vor 1915 datiert werden kann.

Die Hinweise von Bruno Ewen in seinem Bildband "Rhauderfehn in alter Zeit" (1982), daß die Verlaatsmeister bislang unbekannt  geblieben seien, beruht auf der Tatsache, daß

   einmal die Kirchenbücher von Rhaude (und Westrhauderfehn) schwer lesbar sind, und

   zweitens, daß die erfahrenen Heimatkundler wie Heinrich Roskam und Hermann Gils sich mehr mit Collinghorst (Gils) sowie den Wirkungen der Vorkommnisse der "großen" Geschichte auf das  Overledingerland (Roskam) beschäftigt hatten, und

   drittens, daß Heiko Athen mit der (damals komplizierten) Reproduktion alter Ansichtskarten und Fotos (neben seinem Beruf als Auktionator)  ausreichend zu tun hatte, so daß er sich nicht auch noch mit der zeitaufwendigen müh- seligen Durchforstung alter Dokumente und Akten abgeben konnte. (Seine Repros vom hiesigen Verlaat, veröffent- licht im Heimatkalender von Apotheker Alwin Voßberger, folgen an dieser Stelle noch!)

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   1983: Juli: Badebild Schleuse Verlaat W.fehn 1925 (Außenminister Schroeder)

   1993: Januar: W.fehn: Bick auf das alte Compagniehaus, dem Verlaat, der Mühle Zeldenrüst und Harms Helgen mit angefangenem Schiff, links Tjalk und Mutte, ca 1907.

    1998: Front: Untenende, W.Fehn, um 1935 <Verlaat mit Mühle und Müllerhaus>

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   Mittlerweile konnte ich doch bei meinen Forschungen verschiedene neue Erkenntnisse notieren. Da wäre zum einen, daß das Amt des Verlaatsmeisters, welches durch die Rhauderfehn-Gesellschaft vergeben wurde, eine Art offizielles Amt - verbunden mit der Gastwirts-Konzession - war, so daß hier kein 'Beamter' mit Gehalt und Pensions- ansprüchen eingesetzt zu werden brauchte. Der jeweilige Amtsinhaber bediente nicht selbst die Schleusentore zu jeder Tages- und Nachtzeit (wir hatten bis  hierhin das Tidegefälle!), sondern er beauftragte mit dieser Arbeit Männer, Jugendliche (und auch Kinder), die sich gerade vor Ort befanden.<Dieser Satz wird neu formuliert.>

Wer der erste Pächter des "Compagniehauses" gewesen ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Bekannt ist jedoch, daß Gastwirt Voigt das Haus um die Jahrhundertwende bewirtschaftete. Sein Nachfolger wurde Otto Alexander Maecker (1910-1933). Otto Maecker war es auch, der das "Compagniehaus" 1929 umbauen ließ, um es den neuen  Verhältnissen und Ansprüchen anzupassen. Vermutlich stammt diese Aufnahme, die vom gleichen Standpunkt aufgenommen wurde wie die auf der gegenüberliegenden Seite, aus dieser Zeit. Aus ihr wird deutlich, wie sich das Gesicht des Fehns innerhalb von zwei Jahrzehnten gewandelt hatte. Otto Maecker verkaufte das "Compagniehaus" 1933 an Peter Marinesse, der es bis nach 1945 bewirtschaftete. Danach hatte das als  "Verlaatshaus" umbenannte "Hotel Marinesse" mehrere andere Besitzer und Pächter. Heute ist das "Verlaatshus" im Besitz der Familie Dörfler, die es als bekanntes Speiserestaurant mit  angeschlossenem Saalbetrieb führt.

Thomas Lammers Rosenfeld, soll der erste Verlaatsmeister in W.fehn gewesen sein. Er soll im 1.steinernen Haus von W.fehn, dem  Compagnie-Haus, gewohnt haben, welches die Rhauderfehn-Compagnie 1770 hat errichten lassen. <OMA 8/94, S.116>  cf Kleesen !

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aus dem Rhauder Kirchenbuch:

Thomas NN, Verlaatsmeister, W.fehn, oo NN

     Kinder:

Rolf, * (1797), 3 Jahrealt

      + 14.9.1800 W.fehn, nachmittags, ertrunken, # 18.9.1800 Rh

 

Ludolf Anton Christina Tjaden, Verlaatsmeister, W.fehn, * 21.3.1831 Potshausen, (Vater Enno Tjaden, Potshausen),

   oo 16.6.1863 Rhaude,

 Geesche Hinken, * 29.11.1832 Rhaude, (Vater: Jan Heeren Hinken),             (Ioo s. Jan Haan)

     Kinder:

Um die in dem kilometerlangen Kanalsystem vorhandenen Höhenunterschiede auszugleichen und für die Schiffahrt einen möglichst konstanten Wasserstand zu halten, mußten Schleusen gebaut werden. Für Westrhauderfehn war auf Grund des geringen Gefälles nur eine Schleuse (plattdeutsch: Verlaat) erforderlich. Sie lag am Ende des Haupt- fehnkanals dort, wo das  "Verlaatshus" steht und war als Kastenschleuse in Steinbauweise errichtet worden. Wollte ein Schiff das "Verlaat" passieren, mußte durch das Öffnen der Schütze in den Toren zunächst ein Gleichstand mit der Wasserseite hergestellt werden, nach der das Schiff die Schleuse verlassen wollte. Die Schleuse am Untenende wurde in den 50er Jahren im Rahmen einer generellen Neuorientierung der Binnenentwässerung ausgebaut und durch ein Mündungsschöpfwerk mit einer Pumpenleistung von 2 cbm/sec. ersetzt. Über ein Sieltor mit Hubschütz ist ein natürliches Aussielen auch heute noch möglich.

Am 4. Juni 1985 brannte das Dachgeschoss des Verlaatshus. Im Einsatz waren sieben Fahrzeuge und 45 Feuerwehrmänner der Wehren Westrhauderfehn und Rhaudermoor. Das Fahrzeug mit der Drehleiter von der Feuerwehr Leer war anwesend, brauchte aber nicht mehr eingesetzt werden. Das Dachgeschoss brannte völlig aus.