siehe auch: Die Drosten der Burg Stickhausen im Kurier vom 16.8.1990

Erinnerung an Weihnachten im Burgturm Stickhausen vor 150 Jahren

"Dann tanzten Apfel den Schornstein herunter"

(OZ v. 23.12.2000)

   Eng war es in der Turmwohnung, denn Familie Gerdes hatte 13 Kinder. In die dicken Mauern wurden Butzen gehauen. Stickhausen. "Wie viele,  gemütvolle Erinnerungen knüpfen sich an unsere Kindheit und Jugend, an das liebe Weihnachtsfest, dessen Bescherung bei uns frühmorgens stattfand, nachdem lange Wochen vorher die schönsten Weihnachtslieder und -gesänge, zumal in traulicher Schummerstunde, gesungen waren." In warmen Worten schreibt Christine Charlotte Auguste Gerdes, geboren im Januar 1843, wie ihre Familie vor 150 Jahren im alten Stickhauser Burgturm Weihnachten feierte.

   Im Herbst und Winter des Jahres 1908 hat die jüngste Tochter des ehemaligen Pedells beim Amt Stickhausen ihre Erinnerungen zu Papier gebracht. Gerd Bürjes, bekannter Heimatforscher aus Detern, besitzt eine handschriftliche Abschrift dieser Chronik.

   Der Vater der Verfasserin, Johann Andreas Gerdes, hatte als Soldat einer ostfriesischen Reitertruppe in der preußischen Armee  unter Blücher bei Waterloo gegen Napoleon gekämpft. Nach dem Sieg über die Franzosen kam er als Amtsdiener zum Amt Stickhausen.

   Wie die Tochter berichtet, wohnte die Familie Gerdes zunächst in  einer der Baracken, einer Soldatenunterkunft, von denen eine noch heute an der Straße nach Filsum steht. 1819 zog die Familie in den Burgturm. Auguste Gerdes schreibt: "Klein, behende und niedlich war alles im Turm hergestellt, und Mutters Ordnungs- und Schönheitssinn schafften ein reizendes Heim, das die dicken Mauern im Sommer schön kühl, im Winter dagegen warm erhielten. Nur daß über den Wohnräumen auch Zellen für Gefange ne eingerichtet wurden, machten es für den Anfang der jungen Frau etwas unheimlich."

   Drangvolle Enge herrschte in der Wohnung im Festungsturm, denn die Eheleute Gerdes hatten 13 Kinder. Immer  wieder neue Bettstellen wurden in die dicken Mauern geschlagen, damit die Kinder einen Platz zum Schlafen fanden.

   In der Chronik erinnert sich Auguste Gerdes mit großer Freude an das  Weihnachtsfest: "Dann tanzten auch Äpfel am Bande den Schornstein im Turm herunter - uns wurde ganz schwül dabei ums kleine Herz, und unter Zittern hauchten wir unser ,Danke, lieber Weihnachtsmann'  in  den Schornstein hinein, wo freilich eine Etage höher der Bruder Anton seines erfreuenden Amtes gewaltet; oder es fanden sich urplötzlich ein paar ´Paalmänner'  am kleinen Turmfenster - wir vermeinten dann wirklich das Christkind durch die Luft reiten zu sehen und bargen uns schüchtern und ängstlich unter Mütterchens Schürze.

   Unter großer Feierlichkeit erfolgte am heiligen Abend das ´Telleraufsetzen',  hernach wurde Schokolade getrunken und der Weihnachtsstuten angeschnitten. Endlich musste Schluß gemacht werden, so wenig Müdigkeit wir auch verspürten ...

   ... Welch geheimnisvolles Tun in der  Weihnachtsnacht in unseren kleinen Räumen im Turm! Welche Seligkeit, wenn endlich ´Aufgestanden!' wurde und bei uns vollstimmig erklang: ,Ehre sei Gott in der Höhe, der Herr ist geboren ...'

   Dann mußte Vater nebenan im ,liliputanischen Stübchen' nachsehen, ob auch der Weihnachtsmann dagewesen. Er lüftete noch in der Tür des Weihnachtsstübchens stehend sein Käppchen und .Guten Morgen, lieber Weihnachtsmann'  hörten wir von seinen Lippen, hernach ein sehr geräuschvolles Auf- und Zuschieben des einzigen Fensters, dann das Glöckchen - die Tür tut sich von innen auf, und wir sahen alle Herrlichkeit unter hellem Jubel und  Jauchzen."

 

Auguste Gerdes erinnert sich in ihrer Familienchronik:

Silvester vor 150 Jahren in Stickhausen: "Man hörte wüsten Lärm auf allen Gassen"

 (Aus: OZ v. 30.12.2000)

   Stickhausen. Silvester vor 150 Jahren in Stickhausen - daran erinnert sich Christine Charlotte Auguste Gerdes.  Die jüngste Tochter des ehemaligen  Pedells  (Amtsdiener) beim Amt Stickhausen, 1843 geboren, hat im Herbst und Winter des Jahres 1908 ihre Erinnerungen zu Papier gebracht. Heimatforscher Gerd Bürjes aus  Detern besitzt eine handschriftliche Abschrift.

   Auguste Gerdes lebte mit ihrer Familie im Turm der Burg Stickhausen. Die Eltern hatten 13 Kinder. In der Chronik finden sich auch ein paar Zeilen über den Jahreswechsel. Auguste Gerdes schreibt: "Wie beglückte es uns, als wir zum ersten Mal zur Silvesterkirche nach Detern durften! Das ,Nun danket alle Gott' unter Glockgeläut zum Schluß machte einen gar  tiefen Eindruck - und der Weg zurück über die Gaste unter klarem Winterhimmel nicht weniger!

   Der Neujahrstrubel war hier damals für uns Kinder nicht sehr schön. Man sah so viele betrunkene Leute und hörte wüsten Lärm auf allen Gassen. Uns Kinder waren freilich die vielen, bei uns im Turm einkehrenden Neujahrs-Gratulanten äußerst interessant, daß wir stets mit derselben Aufmerksamkeit ihr Sprüchlein  vernahmen.

   Wir Zwillinge gingen stets zu unserem Oberamtmann zum Gratulieren. Bei der Gelegenheit sagte einmal der alte leutselige Herr:, Ja, Kinner, nu schrieven wi all dat Jahr 1850!' Er schenkte alljählich unserem Vater für ,Marie und Auguste' einen Louisdor, außerdem gab es in der Amtswohnung für uns liebenswürdigerweise auch reiche Christgeschenke. Der alte Herr war sehr beliebt bei Alt und Jung - er  zog sein Käppchen vor jedem Kinde, das ihm begegnete, unterwegs auf seinem Spaziergang am Walle."

Siehe auch die Geschichtevom 16.08.1990 über “Die Drosten der Burg Stickhausen”

                                       "Lange Haye" erwischte die schwerbepackten Oldenburger

in www.michaeltillheinze.de

Im Jahre 1933 hatte Stickhausen 192 Einwohner.

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Im Jahre 1933 hatte Detern 1.042 Einwohner.

Das Amtshaus in Stickhausen um 1850. So hat es auch schon zu den Zeiten ausgesehen, in denen die in unserer Geschichte handelndenden Personen dort ein- und ausgingen. Der "Frachter" auf der Jümme ist eines der zahlreichen Boote von der Speditionshandelsflotte, die den Warentransport zwischen der Küste über die Fluß- und Bachläufe im Leda-,  Jümme-, Ems- und Hasegebiet besorgte. (Bilder: Verfasser)

 Das Haus des Advokaten Johann Nortberg in Detern. Vorn links ragt die Fassade der alten Schule ins Bild,  dahinter das zweite Haus ist das von Nortbergs.

Nortberg, der den Sagenstoff lebte

 Histoorje un Redelköst ut't Kuntrei um't olle Amt Stickhusen

 Von Gerhard Bürjes, Stickhausen (Unser Ostfriesland Nr. 24, v. 27.12.1979)

      “Ji stolte Buren sünnt to dumm je ägen Naam  to schrieven!" Was da so vorwurfsvoll über der Straße her klang, war nicht etwa der wütende Ausspruch eines Viehkaufmanns, der sich mit einem Bauern ob des Kuhhandels nicht einigen konnte, sondern diese Stimme kam aus dem Schulgebäude unter dem alten Glockenturm in Detern. Eingeweihte wußten:

   Lehrer van Dicken erzählt seinen Schulkindern wieder einmal die Sage vom Procurator Johann Nortberg.

    Heinrich van Dieken, vom 6. 5. 1877 bis l. 5. 1917 Lehrer in Detern, war für seine Erzählkunst bekannt. Trotzdem er meistens stark übertrieb, so hingen seine kleinen Zuhörer doch förmlich an seinen Lippen  und vergaßen dabei Zeit und Raum. Ein ehemaliger Schüler berichtet über ihn:

   “Heinrich van Dieken (sein Bruder war der Fehnmeister Theo van Dieken in Stickhausen) war ein ausgezeichneter Kenner der ostfriesischen Geschichte und großartiger Erzähler. Auch ich bin von ihm in Heimatkunde unterrichtet worden und habe vor der gleichen bunten von ihm gefertigten Karte gesessen, auf der tiefblau die Jümme mit ihren zahlreichen Windungen eingezeichnet war und ihrer Vereinigung mit der Leda zustrebte.

   Er war zwar streng, aber wenn er nach dem offiziellen Teil zu erzählen begann, dann wurde die Zeit mit ihm  zu einem Erlebnis. Man konnte dabei das Gruseln lernen. Damals hatten wir außer Mittwoch und Sonnabend auch nachmittags von zwei bis vier Uhr Unterricht, zweimal die Woche Heimatkunde von drei bis vier Uhr. Nicht nur wir vergaßen dabei Zeit und Stunde, auch van Dieken selbst. Sichtbar beeindruckt kamen wir mit erheblicher Verspätung nach Hause und die Mutter fragte: "Wor blievt ji, hett van Dieken wer vertellt?"

   Der alte Nortberg soll im Wirtshaus "Zum schwarzen Pferd" (heutiges Haus Bahns) den versammelten Bauern den o. g. Ausspruch der Sage nach entgegengehalten haben. Dieser Procurator  Nortberg soll ein arger Leuteschinder gewesen sein. In einem alten Bericht heißt es: "Um diesen Namen wispert und raunt ein Heer von Gerüchten und Sagen. Das gilt für das ganze Alte Amt Stickhausen. Der Name zeitigt Variationen. Als ,Oll Noorbörg' geht er noch heute um."

   Zugereist als Feldscher auf Burg Stickhausen

   Johann Nortberg ist im November 1695 als Sohn des Anthon Noorborg und seiner Ehefrau Engel Kips geboren und am 27. November 1695 von Pastor Anton Heinrich Loewen-stein auf der Festung Stickhausen getauft worden. Einer seiner Taufpaten war Harmen Hueck, der Schulmeister  auf Stickhausen. Er war das dritte von vermutlich 7 Kindern seiner Eltern.

   Die Nordborges stammen ursprünglich aus Groningen, von wo ein Gerd Nördborges im Jahre 1650 nach dem oldenburgischen  Apen kam und als "Balbierer und Feldscher" (Barbier und Chirurg, Wundarzt) auf der dortigen Festung Dienst tat. Er starb am 22. September 1670.

   Sohn Stephan trat in seine Stellung als "Regimentsfeldscher". Dessen Sohn wiederum ist der oben erwähnte Anthon (Günther) Nordborges, welcher sich um das Jahr 1690 nach Stickhausen begibt und sich als "Mousquetier" auf der hiesigen Festung verdingt. Er wird am 30. März 1690 auf der Festung mit seiner Braut Engel Kips "copuliret" und gibt einige Jahre später den Beruf als Musketier auf und wird Handelsmann.

   Er stirbt am  19. September 1735 im Alter von 70 Jahren. Seine Frau Engel Kips folgt ihm am 24. September 1741 im Alter von 73 Jahren.

   Schnelle Karriere zum Procurator und Ausminer

    Johann Nortberg wächst inmitten seiner 6 Geschwister auf der Festung Stickhausen heran. Der einzige Bruder Stephan und eine Schwester sterben schön in jungen Jahren, zwei weitere Schwestern heiraten nach außerhalb, nur seine Schwestern Engel und Sophia Eberhardina bleiben im Lande und heiraten Deterner Bürger. Sophia   Eberhardina   den Schmied Lauth Rosendahl und Engel am 23. Mai 1724 den späteren Kaufmahn und Lakenhändler Johann Pauls Braken-hoff, der einige Jahre später als Heuermann auf der Holtgaster Schanze wohnt.

   Johann Nortberg selbst tritt als Erwachsener zunächst in die Dienste  der fürstlichen Regierung und wird Schreiber beim Amt in Stickhausen. Hier hält es ihn jedoch nicht lange und schon im Jahre 1720 wird er als Procurator und ein Jahr später gar als "des Stickhausschen Amtsgerichts Wohlbestalter Procuratoris und Zollverwalter" betitelt. Die Stelle des Zollverwalters (mit Dienstsitz und Wohnung im vormals Tammena'schen Haus in Stickhausen) muß er jedoch nicht lange innegehabt haben, denn schon  einige Jahre später wird er nur noch als Procurator und Ausminer bezeichnet.

   Er heiratet am 10. Mai 1720 "die Großehr- und Viel Tugendbelobte Jungfrau" Christina Magdalena Boleny,  Schwester des Procurators und Ausminers Gustav Ulrich Bolenius in Detern und Tochter des Christian Boleny, "gewesenen Amptmann (1660 - 1676) dieses Ampts Stickhausen und hernach Hochfürstlichen Regierungs-Raths zu Aurich (gest. 1693) und dessen Ehefrau Elisabeth Glaan, Tochter des weyl. Hochedlen Herrn Bernhardi von Glaan, gewesenen Hochgräflichen   Oldenburgischen Raths und Assessoris in Jever".

    Durch seine nunmehr ausgezeichneten Verbindungen zu hochgestellten Persönlichkeiten und Regierungsstellen, der Vetter seiner Frau ist der Bürgermeister von Esens und spätere Staatsrentmeister Christian Albrecht Carl von Glaan, Vater des spateren Stickhauser Amtmanns R. H. C. von Glaan, kommt Johann Nortberg in seinem Beruf schnell voran. Dieser berufliche Erfolg macht ihn jedoch menschlich zum Tyrannen, denn in der  Folgezeit wird wenig erfreuliches mehr von ihm berichtet.

   Ein feiner Mann

   Aus seiner Ehe mit Christiana Magdalena Boleny entstammen 2 Kinder: am 10. Februar 1721 wird ihm ein Sohn, Christian Gustav, geboren, dessen Taufpate die "Frau Räthin Boleny", seine Schwiegermutter, ist. Als Zeichen der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung des Johann Nortberg kann der bei der Taufe anwesende Personenkreis gedeutet werden: "... die Frau Drostin von Harlingen (ihr Ehemann war Drost in Stickhausen), die Frau Amtmännin Stürenburg (ihr Ehemann war Amtmann in Stickhausen und wohnte in Detern) und Monsr. Bolenius (der Bruder der Frau Nortberg und spätere Schwiegervater des Johann Nortberg; Bolenius war Procurator und Ausminer in Detern, seiner Mutter, der Frau Räthin Boleny, gehörte damals das  "Löwenhaus'. Da das Deterner Kirchenbuch aus jenen Jahren große Lücken aufweist, läßt sich der Zeitpunkt der Geburt der Tochter Margaretha sowie der Tod des o. g. Sohnes nicht genau feststellen. Im Jahre 1750  jedenfalls wohnt der Procurator Johann Nortberg noch mit seiner Ehefrau und 2 Kindern in seinem Haus in Detern. Späterhin wird der Sohn Christian Gustav jedoch nicht mehr erwähnt. Die Tochter Margaretha stirbt unverheiratet in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts.

   Sittenbild aus Detern

   Gustav Bolenius, der Procurator  und  Ausminer und Schwager von Johann  Nortberg, ist unverheiratet und wohnt bei seiner Mutter, der Frau Räthin im "Löwenhause" in Detern. Im Jahre 1733 fällt er unbliebsam auf, als seine Magd von ihm ein Kind erwartet und er sich weigert, die Mutter des Kindes zu heiraten.

   Pastor Coelers Eintragung ins Kirchenbuch  anläßlich  der Kindtaufe lautet: "Den 17ten November 1733 habe ich Anna Sophia Janssen, weyl. Jan Heemkens gewesenen Mous-quetiers auf Stickhausen Tochter, gebohrenes Kind oder Töchterlein mit Nahmen Gustjen in Detern getauft. Sie hat etliche Jahre bey Gustav Ulrich Bolenius, Procurator und Aus-miner hier in Detern gedienet, und sagte zu mir, derselbe wäre des Kindes Vater. Gevatterin war Hilcke Gerdes Snater des Cornelius Engelberts Fährmanns und Bäckers Frau."

   Auch nach der Geburt seiner Tochter weigert sich Gustav Bolenius standhaft, die Anna Sophia Janssen zu heiraten. Auch wird seine Mutter, die "Frau Räthin", ihre Zustimmung zu dieser "unstandesgemäßen" Ehe wohl versagt haben. Doch einige Jahre später ändert sich die Situation. Am 22. August 1740 stirbt die "Hochedle Frau Elisabeth Glaan, 93 Jahre 8 Monathe und 14 Tage alt, im 43ten Jahr ihres Wittwenstandes hier in Detern und wird am 30ten  August des Abends in der Kirche auf dem Chor Süd-Seite begraben".

   Nun, nach dem Tode seiner Mutter, nimmt Gustav Bolenius die Mutter seiner Tochter und das Kind in sein Haus auf, heiraten  will er jedoch immer noch nicht. So leben sie, wie man damals sagte, in "wilder Ehe" miteinander, wie eine Notiz aus dem Jahre 1750 bezeugt die da besagt, daß der Ausminer Gustav Bolenius mit 4 Personen (er selbst, Anna Sophia Janssen mit Tochter Gustjen und Magd) sein Haus (Löwenhaus) in Detern bewohnt. Am 8. April wird seine Tochter, als Gustjen Boleny, mit anderen jungen Leuten zusammen examiniert und eingesegnet.

   Gaunereien mit Blankounterschriften

Die Geschäfte des Procurators und Ausminers Johann Nortberg gingen derzeit dank seiner Schlauheit und bauern- fängerischen Machenschaften  glänzend. Eine seiner vielen Gemeinheiten waren erschlichene Blanko-Unterschriften von Bauern. Diese "Vollmachten" nutzte er dann weidlich zu seinen Gunsten aus. Mit dem zu Anfang erwähnten Ausspruch:

"Ji stolte Buren sünnt to dumm jo ägen Naam to schrieven" wollte er die in ihrem Stolz verletzten Bauern nur herausfordern. Er hielt jedem, der seine Schreibkunst beweisen wollte, einen leeren  Briefbogen mit dem Bemerken vor, er möge doch, da Papier knapp sei und er das unbeschriebene Papierfeld noch anderweitig verwenden wolle, ganz unten auf dem Blatt seinen Namenszug schreiben damit er (Nortberg) diesen Abschnitt vom übrigen Bogen abtrennen und vernichten könne und somit wenig Papier verloren ginge.

   Einige Tage später fielen die Schreibkünstler aus allen Wolken. Johann Nortberg hatte auf die leeren Felder jeweils den Text eines Kaufvertrages geschrieben, der ihn gegen geringes Entgelt als Käufer von Ländereien der Bauern auswies. All ihre Vorstellungen beim Amtsgericht Stickhausen nutzten den so  hinterhältig betrogenen Bauern jedoch nichts. Durch ihre Unterschriften waren diese Verträge rechtsgültig.

   Bonhausen zweimal verkauft

   Nortberg hatte auch seine schmutzige Hand bei einem Doppelverkauf des Gutes Bonhausen bei Amdorf im Jahre 1749 im Spiel. Damals verkaufte der Eigentümer dieses Gutes, der Deichrichter Peter Meelefs aus Esklum, das Gut in demselben Jahr zweimal kurz hintereinander, das erstemal an den Gerichtsschreiber von Alten in Friesland, und zwar für 21 000 Gulden, das zweitemal am 20. Dezember desselben Jahres in einem sogenannten Kerzenverkauf zu einem Preis von 24 500 Gulden an den Advokaten Johann Nortberg in Detern.

   Der Kerzenverkauf hatte seinen Namen daher, daß zu Beginn des Ausbietens eine Kerze angezündet wurde und Gebote nur solange abgegeben werden  konnten, als die Kerze brannte.

Diesem Doppelverkauf von 1749 folgte ein gerichtliches Nachspiel. Der erste Käufer, von Alten, klagte unter dem 8. Februar 1751 vor dem Amtsgericht Stickhausen auf Herausgabe  des Gutes. Das Gericht verwies ihn unter dem 29. März 1751 an die höhere Instanz. Die Königlich Preußische Regierung zu Aurich wies ihn unter dem 21. Juli mit der Begründung ab, daß er die versprochenen schriftlichen  Beweisstücke nicht beigebracht habe.

   Nach Vorlegung derselben wurde erneut verhandelt und Peter Meelefs unter dem 21. Oktober 1751 verurteilt, dem Kläger das Interesse an Bonhausen mit 3 500  Gulden zu ersetzen. In nochmaliger Verhandlung, zuletzt unter dem 13. Sept. 1753, wurde dieser Betrag auf die Hälfte herabgesetzt.

   Ob Meelefs einen Rückversicherungsvertrag mit Nortberg besaß, ist nicht zu ersehen. Jedenfalls blieb dieser unangetastet Besitzer des Gutes.

   Am 7. Mai 1753 stirbt seine Ehefrau Christina Magdalena, geb. Boleny, und wird am 15. Mai in der Abendzeit in der  Deterner Kirche auf dem Chor, nahe dem Taufstein, begraben.

   Nortberg lebt nunmehr allein mit seiner Tochter Margaretha in einem Haus nahe bei der Kirche. Wohl aus Furcht vor seinem Gewissen  besucht er jedoch nie die Gottesdienste des derzeitigen Pastors Cothenius in dieser Kirche. Er beginnt allmählich, sich von seiner Umwelt abzusondern und sich in seinem Haus einzuigeln.

    Witwer Nortberg (59) heiratet Nichte (20)

   Nach einer Zeit des Alleinseins interessiert sich der alternde Mann von 59 Jahren jedoch plötzlich für die nunmehr 20jährige Tochter  Gustjen seines Schwagers Gustav Bolenius. Da einer standesgemäßen Heirat mit ihr jedoch ihre uneheliche Geburt entgegensteht, entschließt sich nunmehr endlich ihr Vater, seine frühere Magd Anna Sophia Janssen, die Mütter seiner Tochter, am 4. November 1754 zu heiraten.

   Da Gustjen nunmehr den Namen Bolenius auch rechtlich tragen darf, steht einer Heirat mit ihrem Onkel Johann Nortberg nichts mehr im Wege.  Die Trauung wurde am 23. Dezember 1754, 6 Wochen nach der Hochzeit der Brauteltem, von Pastor Specht in Vertretung des erkrankten Pastor Cothenius vollzogen und schon ein knappes Jahr darauf, im November 1755 wird dem  jungen Ehepaar ein Töchterlein mit Namen Christina Magdalena geboren und am 4. November getauft.

Dieses Kind wird jedoch nur 7 Jahre alt und stirbt am 23. März 1763. Am 22. Juli 1757, morgens um l Uhr, wird  dem Ehepaar ein Sohn mit Namen Gustav Anthon Christian und am 8. Juli 1761, morgens um 3. Uhr, noch eine Tochter mit Namen Johanna Elisabeth (der späteren Frau Kettler) geboren.

   Inzwischen ist  Gustav Bolenius,  der Schwager bzw. Schwiegervater von Johann Nortberg, ohne Hinterlassung weiterer Kinder und Erben gestorben und seine Witwe gibt das "Löwenhaus" auf und bezieht mit ihrer Magd  Margarethe eine Kammer im Hause ihres Schwiegersohnes.

   Dieser wohnt nach einem Einwohnerverzeichnis aus dem Jahre 1764 in Detern, Vor der Brücke, Lange Straße, Südseite, Haus Nr. 7, und  beschäftigt 2 Knechte und 3 Mägde. Auch jetzt noch, im hohen Alter von 69 Jahren, bereichert er sich mit List und Tücke und wird darum mit Recht von jedermann gehaßt.

   Am 19. März 1767 stirbt seine zweite Ehefrau. Pastor Reil trägt ins Kirchenbuch ein:"Frau Gustjen Nortbergin, gebohrene Boleniussen, des Herrn Advocaten Johann Nort-bergs Ehegenossin, ist hierselbst (in Detern) am 19. Martii, Abends zwischen 9 und 10 Uhr, an der Schwindsucht gestorben, und den 27. eiusdem gegen Abend in der Stille beygesetzt und in der Kirche auf dem Chor an der Süd-Seite, grade unter dem Wagen-Schilde des weyland Herrn Drosten von  Lamy, dicht an der Mauer begraben worden; alt 33 Jahr, 4 Monath und 3 Tage."

   Aus Furcht vor Vergeltung Eisenbeschläge an der Tür

   Nach dem Tode seiner Frau versorgt die Tochter aus erster Ehe, Margaretha, den nunmehr 7 2 jährigen alten Herrn und seine beiden unmündigen Kinder Gustav Anthon Christian und Johanna Elisabeth. Johann Nortberg selbst zieht sich ganz von der  Außenwelt zurück und lebt in einer Kammer seines Hauses in Detern, dessen Türen er mit starken Eisenbändern und Nägeln beschlagen läßt. (Ältere jetzige Einwohner wissen noch von einer solchen "Spiekerdöör" an dem betreffenden Hause zu erzählen. Es sollen auch noch Reste dieser Tür in Detern vorhanden sein. Das Haus selbst stand gegenüber der Apotheke, auf dem jetzigen Parkplatz.)

   Nortberg stirbt am  21. Mai 1769 in seinem Haus in Detern. Pastor Reil trägt ins Kirchenbuch ein:"Herr Advocat Johann Nortberg ist hierselbst (in Detern) an der Süd-Seite der Straße am 21. May, Abends zwischen 6 und 7 Uhr, am Krebs-Schaden, den er auf der rechten Backe gehabt, unweit dem Auge und der Schläfe, wowider zwar allerlei Genesungsmittel, selbst die bella donna, doch vergebens, gebrauchet worden sind, gestorben, und den 26ten  eiusdem um 5 Uhr Abends zwar ohne Gesang, doch mit einer kleinen Rede, die beim Grabe gehalten worden, in der hiesigen Kirche auf der Süd-Seite des Chors zwischen seinen beiden gewesenen Ehegenossinnen beigesetzt  worden. Alt 73 Jahr und 6 Monath".

 Das zweite Haus auf der rechten Straßenseite ist das "Löwenhaus", in dem der ewige Jungeselle Gustav Bolenius sich doch  noch bequemte, die Dienstmagd, mit der er ein Kind hatte, zu heiraten.

 Die Sage vom Procurator Nortberg

   Als schlimmer Rechtsverdreher und Leuteschinder bleibt er jedoch seiner Nachwelt in böser Erinnerung. So jedenfalls wird er auch in der Sage aus dem Buch "Friesische Sagen" von Herrn. Lübbing beschrieben, dessen Inhalt nachfolgend im wesentlichen, jedoch unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten und Überlieferungen, wiedergegeben wird:

    "Herr Nortberg zu Detern war armer Leute Kind und hütete zuerst bei einem Bauern die Gänse. Aber er war ein kluger Junge, und als er herangewachsen war, wurde er als Schreiber angestellt. Bald hatte er  sich viel Geld erworben, und die Leute kamen, um von ihm zu leihen. Er fragte zuvor bei allen, ob sie lesen und schreiben könnten, und sagten sie ja, hatte er nichts zu leihen. Sagten sie nein, so schrieb er einen Schuldschein, und wenn er den Leuten nur zehn Taler auszahlte, schrieb er hundert darauf;das mußten sie dann mit einem Kreuze unterzeichnen. Zuletzt wurde Nortberg sogar Advocat und bereicherte sich erst recht mit List  und Tücke. Er war ein schlimmer Rechtsverdreher und klaubte Armen wie Reichen das Geld aus der Tasche. Mit Recht wurde er darum von jedermann gehaßt. Er zog sich zuletzt ganz von der Welt zurück und ließ seine Haustür  mit starken   Eisenbändern beschlagen.

   Schon bei seinen Lebzeiten wurde er an mehreren Stellen zugleich gesehen. Nach seinem Tode aber war er ein Wiedergänger, so daß alle  Hausgenossen vor Furcht das Haus verließen, und dem Nachbarn (Peter Aggens) wurden fünfundzwanzig Taler dazugegeben, daß er das Haus nur bewohnte. Eines Tages ging die Frau nach dem Abtritt, hatte sich aber kaum  hingesetzt, so setzte sich Herr Nortberg neben sie. Da lief sie erschrocken fort und schrie: "Peter, Peter, der Teufel ist da!" Jede Nacht durchlärmte er das ganze Haus, sah in jedes Bett hinein, und wenn dann  die Bewohner schrien: ,Der Teufel ist da!', so ging er schleichend davon."

   Pastor bannt den bösen Geist.

   Um nun den Teufel loszuwerden, ließen die bedauernswerten Leute den Pastor kommen. Der hat ihn durch sein Beten in einen Fischteich des "Fiskel-diek" verwiesen, den sollte er mit einem an einer langen Kette befestigten bodenlosen "Kalverstab" (hölzerner Kälbereimer) leerschöpfen. Nun war der Teufelsspuk für einige Zeit verschwunden. Als nun aber einmal ein heißer Sommer kam, trocknete der Fischteich aus, und der Teufel stellte sich wieder ein. Der Pastor verwies ihn nun in einen Sandberg, der "Eekbarg" (Eichenberg) genannt, dort muß er noch heute während der trockenen Jahreszeit die Sandkörner zählen. Wenn der "Fiskeldiek"  jedoch Wasser hat, muß er die schwere Arbeit des Wasserschöpfens dort verrichten.

   Zum Fiskeldiek und Eekbarg

   Zur Örtlichkeit des "Fiskeldiek" sei gesagt,  daß es sich hierbei um eine ehemals parkähnliche Anlage handelte, welche sich etwa einen Kilometer östlich der ehemaligen Festung Stickhausen an der Landstraße Stickhausen-Detern, auf dem Grundstück nördlich des  jetzigen Hofes von G. Tebben befand. Diese Anlage soll von Johann Nortberg hergestellt worden sein und hatte neben einem ansehnlichen Baumbestand noch drei Fischteiche und war von einer breiten Graft umgeben. Heute sind  nur noch Konturen dieses einst  vermutlich  reizvollen Parks zu sehen, das Gelände ist eingeebnet und entwässert, und vom einstmals prächtigen Baumbestand standen bis vor einigen Jahren nur noch drei mächtige  Eichen. Diese sind im Jahre 1972 vom schweren Novembersturm entwurzelt und abgeknickt worden, so daß heute nur noch ein Teil der einst breiten Graft vorhanden ist.

   Das Grundstück mit dem Namen  "Eekbarg" ist nicht mehr bekannt. Vielleicht hilft hier die Flurnamensammlung der Ostfriesischen Landschaft weiter.

   Nortbergs Prozeß mit Amdorfer Sielacht

   Den Amdorfern ist Nortberg lange unvergeßlich geblieben, weil er die Sielacht mit einem langwierigen Prozeß überzog, als sie das kleine Amdorfer Siel, das damals nicht weit vom Pieper Siel an der Aper Ems (Jümme) lag,  nach Amdorf neben der Fähre an die Sagter Ems (Leda) verlegen wollten. Der Prozeß wurde am 17. April 1765 durch einen Vergleich beigelegt, nach welchem das Siel verlegt, aber von dem Lande des Nortberg nichts abgegraben, abgeufert und ausgereinigt werden durfte und an die Stelle des alten Siels eine Pumpe (Bewässerungsrohr) größeren Ausmaßes gelegt werden mußte. Diese besteht heute nocht (?), das Siel ist vor reichlich einem  Menschenalter eingegangen.

   Ein Grund zur Verlegung des Siels bestand in der Absicht das Siel zur Schiffahrt zu benutzen.

    Auf Rittergut Bonhausen herrscht das böse Geschlecht

   Das Gut Bonhausen war zu Zeiten Nortbergs 84% Grasen = 39,958 ha groß. Die Größe eines Rittergutes auf der Marsch war mindestens 140 Grasen. Nortberg versuchte, das Gut in seiner Familie zu verankern, ein Fideikommiß (Erbhof) zu errichten, indem er unter dem 16. Mai 1769, 5 Tage vor seinem Tode, testamentarisch verordnete, "daß der Platz jederzeit auf den ältesten männlichen Descendenten, und so immer von dem einen auf den andern verstammen soll, die andern Kinder aber landrechtlich abgefunden werden sollen".

   Bonhausen erreichte zwar die Größe eines Rittergutes nicht; dennoch war das Vorhaben Nortbergs den Umständen nach angebracht, weil er auch Tammingaburg auf der anderen Seite der Leda besaß und beide Plätze sich auf breiter Front berührten.

   Es blieb beim Wollen. Nicht ein einziger männlicher Nachkomme hat das Erbe antreten dürfen; denn der einzige Sohn des Stifters, Gustav Anton Christian Nortberg, starb  im Alter von 17 Jahren am 14. August 1774 an der Schwindsucht in Je-ver, wohin er seiner Krankheit wegen gezogen war. Er wurde am 19. August in Detern begraben.

   Den Platz Bonhausen erbte die einzige noch lebende Tochter Johanna Elisabeth. Das Fideikommiß erlosch damit. Die öffentliche Meinung wollte hier das Walten einer höheren Gerechtigkeit erkennen.

   Die Erbtochter Johanna  Elisabeth Nortberg verheiratete sich mit dem Ing.-Lieutenant Kettler aus der bekannten Familie, die Ostfriesland und Oldenburg manchen höheren Beamten stellte in in mehreren Zweigen geadelt wurde.

    Das junge Paar wohnte zunächst auf Bonhausen, zog aber um 1780 auf die Ubbingaburg zu Nortmoor. Beide Eheleute verstarben früh an Auszehrung und hinterließen drei unmündige Kinder. Bonhusen blieb bis 1840 im Besitz der Kettlerschen Familie.

   Oll Noorbörg spukt bis heute

   Oll Noorbörg jedoch ist seit jenen Tagen nie zur Ruhe gekommen, denn je nach Wetterlage hört man ihn  des nachts entweder am Fiskeldiek mit den Ketten seines Eimers rasseln oder am Eekbarg laut beim Abzählen der Sandkörner. Manchem furchtsamen Spaziergänger, der um diese Zeit des Weges daherkommt, springt er dann auf den Rücken.

   Der Fiskeldiek, wie der Platz auch heute noch genannt wird, wird seitdem in besonders dunklen Nächten von Spaziergängern, welche auf der Landstraße Detern-Stickhausen diesen Ort  passieren müssen, gemieden. In einem alten Tagebuch aus dem vorigen Jahrhundert steht zu lesen, daß man auch damals schon lieber einen Umweg über die Gaste und durch Velde in Kauf nahm, um ja nicht Gefahr zu laufen, vom  Geist des alten Nortberg angesprungen zu werden.

   Quellen:

Kirchenbücher Detern und Apen

 Herm. Lübbing: "Friesische Sagen"

Heftreihe: "Der Bote aus dem Jümmiger Hammrich"

Vor 25 Jahren (GA v. 13.9.2001)

Stickhausen. "Im Spiegel der Jahrhunderte - Detern, Stickhausen, Neuburg, Amdorf". So lautet der Titel der Festschrift, die aus Anlaß der 550. Wiederkehr des Tages der Schlacht bei Detern am 26. September 1426 herausgegeben wurde. Im Rahmen einer kleinen Feierstunde wurde die Broschüre im Burgturm in Stickhausen der Öffentlichkeit vorgestellt. Die im Ostendorp-Verlag  Rhauderfehn gedruckte Festschrift (1976!) weist folgende Beiträge auf: "Detern und Stickhausen. Von der Landwehr zum Amtssitz" (Dr. Hajo van Lengen, Aurich), "Stickhausen von 1464 bis 1900" (Gerhard  Bürjes und Rodulf Schröder, Stickhausen), "Aus der Geschichte der Kirche in der politischen Gemeinde Detern" (Dr. Menno Smidt, Logabirum), "Warfen im Jümmiger Hammrich" (Franz Pitters, Potshausen),  "Die Entwässerung der Niederung Detern und Umgebung" (M. Frerichs, Leer), "Die Vogelwelt des Jümmiger Hammrichs" (Eduard von Toll, Holtland).